1. Akzeptanz der wechselseitigen Angewiesenheit in der Arbeitsbeziehung:
Eigentümer-Unternehmer sind als „Arbeit Gebende“ auf kompetente, eigenmotivierte, engagierte, gesunde Mitarbeitende angewiesen. Diese sind die Voraussetzung für Innovation und Produktivität und damit die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens.
Die Mitarbeitenden sind als „Arbeit Nehmende“ auf den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und damit auf die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, angewiesen. Sie wünschen sie die Möglichkeit der Erfahrung einer sinnerfüllten Arbeit, die ihren Stärken und Potentialen entspricht. Sie wünschen sich Anerkennung und Wertschätzung für ihre Arbeitsleistung und respektvollen Umgang mit sich als Person. Insbesondere in Familienunternehmen erleben viele Mitarbeitende ihre Arbeit als Teil ihrer persönlichen Identität: „Die Firma ist Teil meines Lebens“.
Die Anerkennung des Sachverhaltes einer wechselseitigen Angewiesenheit in der Zusammenarbeit bedeutet auch, dass alle Beteiligte sorgsam darauf achten, dass diese nicht in Abhängigkeiten und damit in Zwänge umgewandelt werden.
2. Sensitiver Umgang mit hierarchischer Macht
Eigentümer, Vorgesetzte und Mitarbeitende sind sich der hierarchischen Über- und Unterstellungsbeziehungen und der damit verbundenen Befugnisse sowie der Macht-Asymmetrie bewusst und gestalten diese transparent und kooperativ (ohne Anwendung von Willkür).
Für alle am Führungsprozess Beteiligten ist transparent und verständlich nachvollziehbar, in welchen Situationen
Mitarbeitende den Anweisungen und Vorgaben ihrer Vorgesetzten Folge leisten müssen (aufgrund von Weisungs- und Personalbefugnissen).
Mitarbeitende in der (Fach)Expertenrolle sind. Hier sind Vorgesetzte auf die Expertise der Mitarbeitenden angewiesen, respektieren diese und folgen ihr.
„Frei“-Räume zugelassen und gestaltet werden (dürfen und sollen), in den Mitarbeitende und Vorgesetzte gleichberechtigt zusammenarbeiten.
Der Machtvorteil (und die Machtungleichheit zugunsten) der Führungskräfte erfordert einen bewussten und reflektierten Umgang aller Beteiligten und darf von den Führenden nicht zu Macht-Missbrauch verwendet werden.
Auch Mitarbeitende üben über formelle und informelle Strukturen und Positionen („informelle Führung“) Macht aus. Sie sind sich dieser Macht bewusst und nutzen ihre Gegen-Macht konstruktiv (und nicht destruktiv).
3. Der Mensch als Subjekt – auch im Wirtschafts-Unternehmen?
In Wirtschafts-Unternehmen ist menschliche Arbeit ein „Produktionsfaktor“. Menschliches Arbeitsvermögen ist an Menschen gebunden: Mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrags und Eintritt in das Unternehmen, arbeitet dort der „ganze Mensch“. Menschen mit ihrer ganz individuellen Biografie, ihren persönlichen Lebenserfahrungen, ihren erworbenen Denk- und Verhaltensmustern – also ganz eigensinnig und mit ihren persönlichen Lebens-Sinn.
Was bedeutet diese Tatsache für die Führung und Zusammenarbeit im eigentümergeführten Unternehmen?
Führenden und Mitarbeitenden ist es bewusst, dass es bei der (wechselseitigen) Erfüllung des Arbeitsvertrags um die Erbringung von produktiver Arbeits-Leistung für das Unternehmen geht. Menschen sind mit ihrem individuellen (Arbeits)Vermögen im Unternehmen primär in ihrer Funktionstüchtigkeit gefragt, in ihrer Leistungsbereitschaft, ihrer Leistungsfähigkeit und im Hinblick auf die Ergebnisse, die sie erbringen oder erwirken (lassen).
Dennoch ist es möglich, eine Führung und Zusammenarbeit zu gestalten, in den Menschen Raum gegeben wird, sich selbst in ihrer Arbeit und in der Zusammenarbeit miteinander als „Subjekte“ zu erleben und ihre Beziehungen als Subjekt-Subjekt- Beziehungen zu gestalten. Sie erleben sich dann als Menschen gleichwertig, auch wenn es in den jeweiligen Funktionen keine Gleichberechtigung gibt.
„Der Begriff der Menschenwürde bezeichnet jenen unversehrten Subjektstatus der Person, der auf der regelmäßigen Erfahrung beruht, in der eigenen unverwechselbaren ‚eigenwilligen‘ Persönlichkeit nicht missachtet, nicht zum bloßen Objekt eines fremden Willens instrumentalisiert zu werden“ (Peter Ulrich, S.45).
„Wer von anderen Personen benutzt und zum Objekt von deren Absichten und Zielen, Erwartungen und Bewertungen, Belehrungen und Unterweisungen oder gar Maßnahmen und Anordnungen gemacht wird, fühlt sich zutiefst in seiner Subjekthaftigkeit und damit Würde bedroht. Als Objekt behandelt zu werden, verletzt sowohl das zutiefst menschliche Grundbedürfnis nach Verbundenheit und Zugehörigkeit als auch das nach Autonomie und Freiheit“ (Gerald Hüther, S.123).
„Nur wer selbst erfahren hat, was die Subjektstellung im eigenen Arbeitszusammenhang bedeutet, ist in der Lage, diesen Anspruch auch anderen Personen zuzubilligen und den eigenen Autonomieanspruch dort aus Einsicht zu begrenzen und der intersubjektiven Regelung zu unterstellen, wo er auf den gleichwertigen Autonomieanspruch der anderen stößt“ (P. Ulrich, S.83).
Führungskräfte und Mitarbeitende lernen zu unterscheiden und trennen zwischen den Rollen und Funktionen, die sie ausüben und für die sie Verantwortung tragen, und sich selbst als Person, die mehr ist als ihre Funktion. Die Spielregeln der Zusammenarbeit in der Ausübung der Funktionen sind transparent.
Führende und Mitarbeitende arbeiten respektvoll, wohlwollend, unterstützend und wertschätzend zusammen (trotz asymmetrischer hierarchischer Machtstrukturen). Sie machen sich selbst und auch nicht gegenseitig zu Objekten ihrer Bewertungen (Auf- und Abwertungen) bzw. zur Durchsetzung ihrer individuellen Interessen.
Im Hinblick auf Feedback und Kritik und im Umgang mit konfliktbelasteten kritischen Situationen trennen und unterscheiden sie zwischen sich selbst als Menschen, der seinen Selbst-Wert in sich trägt, diesen fühlt und sich dessen bewusst ist und ihrem sozialen Verhalten bzw. ihrer Arbeitsleistung und Arbeitsergebnisse.
Mitarbeitende (als Subjekte) sind bereits erwachsen und selbstverantwortlich für die Gestaltung ihres Lebens. Führung und Personalentwicklung heißt dann, Voraussetzungen zu schaffen, durch die produktive Arbeit möglich und innere Motivation als Effekt entstehen.
Führung unterlässt Bevormundung, Befähigung, Entmündigung, Belehrung (Über)Versorgung mit Impulsen von außen. Sie stellt nicht länger die Frage „Wer ist mein Objekt von Führung?
4. Engagement der Sache nach
Im Mittelpunkt der Führung und Zusammenarbeit steht das gemeinsame Engagement für die Lösung von Sachaufgaben im gegenseitigen Respekt vor der Andersartigkeit des/der anderen.
Wer übernimmt welche Verantwortung für die Lösung der unternehmerischen Aufgaben?
Das Erleben von Gemeinschaft (und das Feiern der Erfolge) ist dann ein Effekt der Hingabe an die Aufgaben und Ziele, die gemeinsam gelöst und erreicht wurden. Dabei ist es für jeden der Beteiligten elementar, den persönlich Selbst-Wert nicht an den „Wert“ (Erfolg bzw. Misserfolg) der jeweiligen Arbeitsergebnisse zu binden. Nur so kann die eigene Lernfähigkeit und auch die von Teams gewährleistet werden, die ansonsten aufgrund von Sorgen und Ängsten begrenzt, wenn nicht sogar blockiert wird.
Die Beteiligten orientieren sich an der Mission und den Werten des Unternehmens sowie an der gemeinsam erarbeiteten Vision, an der daraus abgeleiteten Strategie und den daraus resultierenden Zielen.
Dies auf Basis von Prioritäten (die richtigen Dinge tun und diese richtig tun), unter Einsatz der jeweiligen Stärken des/der Einzelnen bzw. des Teams sowie der ihm/ihr übertragenen Rolle/Aufgaben. Jede/r Beteiligte weiß, welchen Beitrag er/sie zum Erreichen des Ganzen leistet.
5. Ergebnisorientierte, kooperative Führung als wechselseitige Einflussnahme zwischen Führenden und Mitarbeitenden
Ergebnisorientierte Führung basiert auf Werten, Visionen und Zielen die Führende und Geführte gemeinsam erarbeitetet haben, auf die sie sich verpflichten und bei deren Umsetzung jede/r Beteiligte seinen Beitrag zum Ganzen leistet. Im Mittelpunkt steht der Unternehmenszweck: „Was braucht unser Unternehmen, um langfristig erfolgreich und zukunftsfähig zu bleiben?“.
Auf Basis des Selbstverständnisses einer Subjekt-Subjekt-Beziehung nimmt jeder an der Führungsbeziehung Beteiligte sich selbst als selbstverantwortliche Person wahr, die sich für die Umsetzung und die Erreichung der gemeinsam vereinbarten Ziele engagiert und sich mit ih-ren Aufgaben identifiziert.
Kooperation lässt sich beschreiben als die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden, zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden, in und zwischen Teams, abteilungs- und bereichsübergreifend.
Die Zusammenarbeit setzt voraus, dass bei den Beteiligten ein Engagement der Sache nach vorhanden ist. „Sache“ kann z.B. ein Unternehmens- oder Abteilungsziel sein, einen zu erfüllende Aufgabe und auch ein wertschätzender freundlicher Umgang.
Die Zusammenarbeit bezieht sich auf die Zielsetzung, Planung, Entscheidung, Durchführung, Überprüfung und Auswertung unternehmensbezogener Aufgaben.
Durch die Erfahrung erfolgreicher Arbeitsergebnisse und respektvollen Umgangs wird bei den Beteiligten die Bereitschaft gestärkt, vertrauensvolle, sach- und ergebnisorientierte Zusammenarbeit zu praktizieren.
Kooperation zwischen den Ebenen kann stattfinden, wenn der Vorgesetzte der nächst höheren Ebene in Ausübung seiner Weisungsbefugnisse Aufgaben und Ziele klar und verständlich formuliert und dabei die Mitarbeitenden mit ihrem Wissen und Fähigkeiten aktiv und wertschätzend beteiligt. Dies trifft auch auf agile Führungsmethoden der „Selbstorganisation“ zu. Denn auch die Selbstorganisation eines Teams findet im hierarchischen Kontext statt.
Falls dies nicht geschieht, soll Kooperation so verstanden werden, dass durch Mitarbeitende entsprechende Rückmeldungen gegeben werden sollen (nicht nur dürfen!).
Führende und Mitarbeitende kooperieren im arbeitsteiligen Arbeitsprozess, um Ergebnisse zu erreichen, die sie nur im Team gemeinsam (nicht allein) erreichen können. „Kooperation lässt sich nüchtern definieren als Austausch, von dem alle Beteiligten profitieren“ (Richard Sennett, S. 17).
Jede/r engagiert sich für die Gestaltung einer konstruktiven Kooperation.
Dies im Unterschied zu einer destruktiven Gestaltung von Kooperationen, die auf der Abwertung des Kooperationspartners und der Aufwertung der eigenen Person bzw. des eigenen Teams beharrt („wir gegen sie“).
Und eben auch im Unterschied zu direktiven Führung, in der die Mitarbeitenden Objekt von Führung sind und die Führungsbeziehung als einseitige Einflussnahme des Vorgesetzten auf den/die Mitarbeitenden gesehen und praktiziert wird.
Kompetenz-Entwicklung hat dann Führende und Mitarbeitende im Blick und die Gestaltung ihrer Kooperationsbeziehung und nicht primär die Person und das Verhalten der Führungskraft. Oder um es mit Niklas Luhmanns zu formulieren: „Ich finde es einfach ungerecht, dass man Vorgesetzte, die durch ihre Stellung ohnehin schon privilegiert sind, auch noch von der Forschung her stützt, mit Kursen über Menschenführung beglückt und mit entsprechenden Techniken ausrüstet, die von der Struktur her disprivilegierten Untergebenen dagegen ohne jede Hilfe lässt. Dabei ist der Umgang mit Vorgesetzten gewiss nicht einfacher als der mit Untergebenen. Gewiss kann keine wissenschaftliche Analyse verhindern, dass der Untergebene hin und wieder vor seinem Vorgesetzten Angst bekommt. Aber sie kann ihn vielleicht so weit bringen, dass er imstande ist, aus seiner Angst die richtigen Schlüsse zu ziehen“(S. 91 f.).
6. Kommunikation im Dialog und konstruktiver Diskurs
Eine Kommunikation im Dialog ist die Voraussetzung für die Übernahme von Verantwortung und das Empfinden von Selbstbestimmung für den Einzelnen und im Team.
Der Dialog ist eine wechselseitige Kommunikation.
Beide (mehrere) Gesprächspartner
erkennen sich als gleichwertig an, auch wenn sie in unterschiedlichen hierarchischen Funktionen tätig sind,
engagieren sich für eine gemeinsame Aufgabe
haben Interesse an der gemeinsamen Kommunikation
geben und erhalten deshalb vollständige Informationen
geben sich wechselseitig Feedback
suchen und finden gemeinsam Lösungen
auf Basis wechselseitigen Vertrauens
Im Mittelpunkt steht das (kontroverse) Ringen um die Sache sowie die Verständigung auf gemeinsame Ziele und die Verständigung über erreichte Ergebnisse und der daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen. Verständigung kann im Ergebnis auch ein Konsens bezogen auf einen Dissens sein.
Dies im Unterschied zu einer direktiven Führung, in der die monologische Kommunikation des Vorgesetzten, dessen Belehrungen und sowie die einseitige Beurteilung des/der Mitarbeitenden im Zentrum stehen.
Literatur:
Gerald Hüther (2018): Würde. Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft
Niklas Luhmann (2016): Der neue Chef. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Jürgen Kaube
Oswald Neuberger (1985): Arbeit
Peter Ulrich (1998): Integrative Wirtschaftsethik, 2. Auflage
Peter Ulrich (1991): Zur Ethik der Kooperation in Organisationen. In: Wunderer, R. (Hrsg.): Kooperation. Gestaltungsprinzipien und Steuerung der Zusammenarbeit zwischen Organisationsein-heiten.
Richard Sennett (2012), Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält