"New Work"

ist aktuell „angesagt“ und „populär“ - doch hält das Konzept was es verspricht?
Wird die Führung „menschlicher“? … Und was war die ursprüngliche Idee?

Die Nutzung des (Arbeits)Vermögens und der Arbeits(Leistung) von Mitarbeitenden dient in Wirtschafts-Unternehmen als (ein wesentliches) Mittel zur Erreichung des Unternehmenszwecks.

Unternehmen brauchen zur Erreichung ihres jeweiligen Unternehmenszwecks ganz spezifische (!) menschliche Fertigkeiten und Fähigkeiten und diese in unterschiedlicher Art und Weise (von wiederkehrender gleichförmiger Einzelarbeit bis hin zu kreativer, innovativer, lösungsorientierter Zusammenarbeit im Team).

Da sich die Umweltbedingungen für Unternehmern drastisch geändert haben und sich in Änderung befinden (Globalisierung, Digitalisierung, Steigerung der Komplexität, politische, ökologische, gesellschaftliche Herausforderungen, Änderungen der Situation am Arbeitsmarkt…) führen diese auch zu neuen Anforderungen an Mitarbeitende und an die Gestaltung von Führung und Zusammenarbeit.

„Dies trifft vor allem auf Handeln in komplexen und intransparenten Situationen zu, in denen widersprüchliche und neuartige Ansprüche bewältigt werden müssen und für die es charakteristisch ist, dass die Handelnden nicht jederzeit und unmittelbar überwacht werden können und einen großen Entscheidungsspielraum haben. Beispiele: Fehlersuche und -beseitigung in komplexen Anlagen, Entwicklung und Einführung von Verbesserungen und Innovationen, umfassende Serviceleistungen beim Kunden, dauerhafte Höchstleistungen, Bewältigung von Verteilungskonflikten..etc.“. (… .)

Das anvisierte Ideal ist, dass hochmotivierte Organisationsmitglieder aus freien Stücken das für die Organisation Bestmögliche tun“. (…)

„In einer Ökonomie, die auf selbständiges Handeln ermächtigter Individuen (Empowerment), Intrapreneurship (Mit-Unternehmertum), selbststeuernde Arbeitsgruppen, Selbstorganisation setzt, ist eine Doppelaufgabe zu lösen: Die Fesseln bürokratischer Herrschaft sind zu lösen, damit kundennahes, eigenverantwortliches, situationsflexibles und innovatives Handeln erleichtert wird, gleichzeitig aber muss sichergestellt sein, dass die „befreiten“ Subjekte (oder Teams) nach wie vor auf die Ziele eingeschworen bleiben, die die dominante Koalition verfolgt“ (Oswald Neuberger, 2002).

Was ist die aktuelle Praxis von „New Work“?

Das „Gärtnermodell“ der Führung:

Beispielhaft (auch für andere Konzepte von New Work), nachfolgend einige Zitate aus dem „Manifest für menschliche Führung“ (2019):

„Dem Prinzip der Hierarchie im Industriezeitalter folgt nun das Prinzip des Netzwerks im Wissenszeitalter. Führung basiert nicht länger auf Unterordnung und Gehorsam sondern zielt auf Selbstführung der ihr anvertrauten Menschen. (…) Der Schachmeister hat ausgedient, gefragt ist heute der Gärtner. Gute Führung schafft einen Rahmen, in dem sich die Menschen und ihre Ideen im Sinne eines gemeinsamen Zwecks entfalten können (S.14). (…)

„Wissensarbeiter müssen so geführt werden, als würden sie (anderweitig finanziell abgesichert) auf freiwilliger Basis mitarbeiten. Wenn aber damit die üblichen Druckmittel wegfallen, bleibt nur übrig, einen Sinn und eine Vision anzubieten, wozu möglichst viele freiwillig einen Beitrag leisten wollen, weil es ihnen wichtig ist“ (S.27).

„Dieses Netzwerk liegt quer zur Hierarchie und ist organisiert als lose gekoppelte Initiativen von intrinsisch motivierten Freiwilligen“(S.29). (…)

„Zunächst braucht es Orientierung durch einen gemeinsamen Sinn und eine gemeinsame Vision, wozu die Menschen von ganzem Herzen ja sagen können und wozu sie gerne freiwillig einen Beitrag leisten wollen. Dann braucht es die Erlaubnis und den Freiraum, in diesem Netzwerk tätig zu werden. Und ansonsten braucht es einfach Vertrauen in die Kreativität und den Gestaltungswillen dieser Armee der Freiwilligen“(S.31). (…)

„Aufgabe von Führung ist es nicht länger, genormtes menschliches Arbeitsmaterial gewinnbringend einzusetzen, sondern wie ein Gärtner ein Ökosystem zu schaffen und zu erhalten, in dem die Menschen ihr individuelles Potential entfalten und im Sinne des Zwecks der Organisation ein-setzen können“ (S.23). (…)

„Führung ist heute nur noch legitim, wenn sie Selbstführung der ihr anvertrauten Mitarbeiter zum Ziel hat“ (S.33).

New Work: Mitarbeitende – als „Pflänzchen“ und „Gewächse“?

Welche Haltung wird deutlich?

Die Führenden agieren auch bei diesem Führungskonzept als Subjekte im Prozess der Führung. Sie „erlauben“, geben „Freiraum“, „bieten Sinn und Vision an“. Mitarbeitende bleiben Objekt von Führung (Subjekt-Objekt-Beziehung zwischen Führenden und Geführten). Der Mitarbeitende bleibt Mittel zum Zweck. Die reklamierte Führung „auf Augenhöhe“ findet nur der Form nach statt.

Der Führende „…in der Rolle als Gärtner betrachtet die zu Managenden im Grunde nicht als seinesgleichen sondern als „Pflänzchen“ und „Gewächse“ die nach seinen Vorstellungen eines idealen Gartens entweder mit guten Zutaten zu pflegen sind oder zum Zwecke ihrer optimalen Entwicklung und mit Blick auf das Gesamterscheinungsbild des Gartens zu beschneiden oder zum Schutz anderer zu entfernen oder zumindest klein zu halten sind. Um dies alles zu leisten, braucht der Manager in der Rolle des Gärtners umfassende Kenntnis über die Biologie des Gartens sowie Erfahrung und Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem ihm Anvertrauten. Nicht hingegen braucht er die Fähigkeit zum Dialog“ (Harald Geißler, 1996).

New Work“ als Instrument subtiler (Ver)Führung?

Unter Nutzung von Begrifflichkeiten wie „menschliche Führung“ „Potentialentfaltung“, „Führung auf Augenhöhe“ wird bei Mitarbeitenden die Illusion geweckt und vorgetäuscht, dass sie persönlich als Subjekte im Unternehmen „gemeint“ sind und hier in einer Gemeinschaft ihre persönlichen Potentiale und Stärken entfalten dürfen und können, um Sinnerfahrung im Arbeitszusammenhang zu erleben.

Diese Illusion führt in die Desillusionierung und zur Ent-Täuschung, da die damit geweckten Erwartungen in einem Wirtschaftsunternehmen, das dem Unternehmenszweck der Eigentümer folgt, nur (sehr) begrenzt erfüllt werden können.

Das „Gärtnermodell der Führung“ ermöglicht Unternehmensleitungen eine (den veränderten wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten angepasste) optimalere Nutzung, Steuerung und Steigerung von Arbeitspotentialen und Arbeitsleistung der Mitarbeitenden. Die Unternehmensleitung definiert die Bereiche innerhalb der Organisation, in denen eine „kontrollierte“ Autonomie (beachte das Paradox) der Mitarbeitenden praktiziert werden soll und sie schließt dabei zugleich andere Bereiche aus, die weiterhin direktiv geführt werden. Sie wirkt so bereits bei der Einführung neuer Organisations- und Führungskonzepte kanalisierend, reglementierend und determinierend.

Bei den Strategien des „Empowerments“ incl. des Konzepts der „Selbst-Führung“ wird der Anschein erweckt, als sei (direktive hierarchische) Führung abgeschafft. Sie wird jedoch in (Netzwerk)Strukturen, Prozesse sowie in die Selbstorganisation des Teams überführt und damit verlagert. Sollten die damit verbundenen Erwartungen an Steigerung der Kreativität, Innovation und Produktivität nicht erfüllt werden, kann sie jederzeit wieder in ihre direktive Form zurückgeführt werden.

Die ursprüngliche Idee von „New Work“:
„Die Menschen das tun lassen, was sie wirklich, wirklich wollen“.

Frithjof Bergmann entwickelte in den 80er Jahren das Konzept von „New Work“ in den USA schwerpunktmäßig für General Motors. In einem Interview mit der FAZ vom 22.06.2019 beschreibt er seine ursprüngliche Idee und ihre Anwendung in der aktuellen betrieblichen Praxis. Seine Aussagen sprechen für sich:

„Die ursprüngliche Idee war, die Menschen teilweise Arbeit tun zu lassen, die sie wirklich, wirklich wollen. Der Unterschied ist sehr groß zu dem, was sich daraus entwickelt hat. Mein Vorschlag an GE war, dass die Leute die Hälfte ihrer Arbeitszeit wie zuvor machen und in der anderen Hälfte freigestellt werden sollten, damit sie in der Hälfte das tun, was sie wirklich, wirklich wollen. Der Ausdruck „Neue Arbeit“ wird heute in vielen Betrieben angepriesen. Aber um das „Wollen“ geht es nicht“. (…).

„Das Konzept ist unfertig, noch im Werden. Und das ist etwas, das meiner Ansicht nach in der Diskussion über „Neue Arbeit“ nicht die richtige Rolle spielt. Man tut so, als ob das schon alles in Schubladen ist. Und die Schubladen haben Schlüssel, und das ist schon alles fertig. Das Gegenteil ist eher die Wahrheit. Es war von Anfang an alles improvisiert. Es ist eine Improvisation, etwas, das ausprobiert wird, etwas, das unter Umständen auch nicht gelingt“. (…)

„Was wir im Sinn hatten, war mehr verknüpft mit den Begriffen von Improvisation, Erfindung, Innovation – von solchen Dingen.“ (…) „Die Produkte, die geschaffen werden, werden wahrscheinlich bessere Produkte sein als die vorher. Das ist der Kern des Ganzen. Wenn wir die Möglichkeit schaffen, dass das was Arbeitnehmer wirklich, wirklich wollen, eine Rolle spielt, dann ist unsere Hoffnung und Erwartung, dass die Produkte besser sein werden. ‚Neue Arbeit‘ erzeugt Erfolg, im Unterschied zu anderen Arbeiten, die nicht so erfolgreich sind“. (…)

Die Betonung lag im ursprünglichen Vorschlag auf dem doppelten ‚wirklich‘. Das ist verloren gegangen. Aber wir versuchen, es wiederzufinden“.


Literatur
(*) Oswald Neuberger (1991): Personalentwicklung, S.9
Frithjof Bergmann (2019): In: FAZ 22.06.2019, S. C2
Harald Geißler (1996): in: Anna Meyer (2000): Führende und Geführte im Wandel der Füh-rungsparadigmen des 20. Jahrhunderts. Ein Wandel vom Objekt zum selbstverantwortlichen Subjekt?, S.99
Oswald Neuberger (2002): Führen und Führen lassen, 6. völlig neu bearb. und erw. Auflage
Marcus Raitner (2019): Manifest der menschlichen Führung